Hinter Großröhrsdorfs Straßennamen geleuchtet: Bismarckstraße (-platz)

1996 entstand im Rahmen einer Untersuchung zur Problematik der Namensgebung und der Beschilderung von Straßen und Plätzen der Gedanke, den Lesern Bedeutung und Hintergründe einiger in Großröhrsdorf näherzubringen. Dr. E. Körner widmete sich in den folgenden Jahren diesem Thema und verfasste mehrere Artikel über bekannte Straßen und deren Namensgebern in Großröhrsdorf.

Sein Beitrag aus dem Großröhrsdorfer Anzeiger Nr. 5 von 2007 über die Bismarckstraße und Bismarckplatz soll anlässlich des 205. Geburtstages von Reichskanzler Otto von Bismarck (1815 - 1898) aufgegriffen werden.

In Großröhrsdorf befindet sich, vom städtischen Zentrum Richtung Oberstadt gelegen, der Bismarckplatz und eine Straße gleichen Namens.

Zur Entstehung der Straßenbezeichnung
Aus einer Gemeindeakte von 1897 geht hervor, dass die Bismarckstraße von der Firma C. G. Großmann auf deren Kosten gebaut wurde.
In einem Schreiben des Herrn Commerzienrat C. G. Großmann an den Gemeinderat wurde unter anderem erklärt, dass seine Firma diese Straße der Gemeinde unter einigen Bedingungen überlassen würde.

C. G. Großmannzoom

Dazu gehört auch, dass die Straße die Bezeichnung „Bismarckstraße“ erhält und der Platz am Schnittpunkt der Bismarck- und „unteren“ Maschinenstraße als „Bismarckplatz“ bezeichnet wird.

Nach Abwägung beschließt der Gemeinderat mit Hinblick auf künftige Unterhaltungskosten und auf das ohnehin leere „Stadtsäckel“, die Straße nur dann zu übernehmen, wenn sich die Firma C. G. Großmann dazu verpflichtet auch den erhöhten Fußweg auf alleinige Kosten herzustellen. Den entsprechenden Bescheid erhielt die Firma C. G. Großmann im November 1897. Da 1899 mit dem Häuserbau an der Bismarckstraße begonnen wurde (er zog sich bis etwa 1911 hin), und aus dem Jahre 1898 keine weiteren Akten zu dieser Angelegenheit vorliegen, wird angenommen, dass sich C. G. Großmann und die Gemeinde im beiderseitigen Interesse einigen konnten. Seit dem Vorschlag von C. G. Großmann wurden die Bezeichnungen Bismarckstraße und Bismarckplatz verwendet. Nach dem Krieg hießen die Bismarckstraße Augst-Bebel-Straße und der Bismarckplatz Karl-Liebknecht-Platz.

Die örtlichen Fakten gehen auf das Wissen von Herrn Helmut Wehnert zurück.

Die Persönlichkeit Otto von Bismarck
Trotz mancher bekannter Fakten werden im Rahmen dieses Exkurses einige wesentliche Daten zu Leben und Werk Bismarcks zusammentragen – gewissermaßen als Auffrischung des bereits bekannten.

Otto von Bismarck, geboren am 1. April 1815 zu Schönhausen, Sohn einer altmärksichen Rittergutsfamilie, begann nach erfolgreicher Studien- und Militärzeit seine langjährige Laufbahn als konservativer Abgeordneter des preußischen Landtags. In den Jahren von 1851 bis 1859 war er Gesandter am Bundestag zu Frankfurt am Main; von 1859 bis 1862 übte er ähnliche Funktionen in St. Petersburg und Paris aus. 1862 avancierte Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten – eine entscheidende Zäsur in seinem Werdegang.

Sein Ziel bestand darin, die deutsche Frage im kleindeutschen-preußischen Sinne – als unter Ausschluss Österreichs, welches zu den größten Staaten des Deutschen Bundes gehörte, zu lösen. Der 1866 geführte Krieg (Österreich – Preußen) endete nach dem Sieg der Preußen mit der Auflösung des Deutschen Bundes. Im Ergebnis dessen schlossen sich die nördlichen deutschen Länder unter Führung Preußens zum Norddeutschen Bund zusammen. Mit den süddeutschen Ländern schloss Bismarck militärische Beistandsverträge für den Fall eines Krieges mit Frankreich ab, welchem das Erstarken Preußens sehr missfiel. Dieser Krieg wurde von Frankreich auch erklärt. Mit dem preußischen Sieg im deutsch-französischen Krieg (1870/71) erfolgte die Ausrufung des deutschen Kaiserreiches unter dem preußischen Monarchen Wilhelm I.

Otto von Bismarckzoom

Ohne Zweifel: Die Vereinigung der deutschen Kleinstaaten gehörte zu Bismarcks bedeutendsten politischen Erfolgen. Fortan zum Reichskanzler und zugleich zum Außenminister berufen, leitete Bismarck bis 1890 das Deutsche Reich. Ins Gewicht fällt, dass er bei seinen Entscheidungen nur dem Kaiser, nicht aber dem Parlament gegenüber verantwortlich war.

Die Geschichte bestätigt, dass der preußische Politiker das Kräfteverhältnis Ende des 19. Jahrhunderts in Europa realistisch eingeschätzt hat. Aus dieser Sicht baute Bismarck seine Bündnispolitik auf. Das Dreikaiserbündnis von 1873 (Deutschland – Österreich / Ungarn – Russland), der Zweibund (Deutschland – Österreich), der 1882 auf Drängen von Bismarcks hin durch Beitritt von Italien zum Dreibund erweitert wurde – und schließlich der Rückversicherungsvertrag von 1887 mit Russland, bildeten die Basis.
Der deutsche Reichskanzler hatte überdies großen Anteil an der Überwindung der durch den russisch-türkischen Krieg heraufbeschworene Krise. Die Berliner Konferenz 1878 stellte die Weichen für eine Entspannung und Entschärfung in dieser Frage.
Bismarcks Außenpolitik nach 1871 war Friedenspolitik. Das von ihm wesentlich geformte Bündnissystem sicherte für Jahrzehnte das Gleichgewicht zwischen den europäischen Mächten.

Seine Zielsetzung, einen modernen Staat zu schaffen, führte zu verschiedenen Konflikten mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen. Als Schöpfer der ersten umfassenden Sozialgesetzgebung der Welt (Unfall-, Kranken- und Altersversicherung) bemühte er sich, die Arbeiterschaft in die Gesellschaft zu integrieren und für den Staat zu gewinnen. Der Versuch jedoch, die politische Vertretung der Arbeiter, die Sozialdemokratie auszuschalten, scheiterte kläglich. Das „Sozialistengesetz“, 1878 vom Reichstag beschlossen, musste 1890 wieder aufgehoben werden, was der gewaltige Anstieg der Wählerstimmen für die SPD verdeutlichte.

Nach dem Tod des Kaiser Wilhelm I. wurde der Reichskanzler und „Schmied des Deutschen Reiches“ als bald (1890) vom zweiten Thronfolger, dem jungen Wilhelm II. entlassen. Die vertrugen sich nicht. Bismarck lebte bis 1898 als Privatmann im Sachsenwald.

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