Lange Zeit war man im Heimatmuseum Großröhrsdorf in dem Glauben, dass mit dem Abriss der ehemaligen Tischfabrik auch die historischen Aufzeichnungen verloren gegangen sind.
Ein kleiner Teil, Fotos und Katalog, konnte damals noch von
einem ehemaligen Mitarbeiter geborgen werden, aber die Chroniken waren weg. Bis
zum Januar 2020, als der Radeberger Herr Arne Schiedt sich meldete, er hätte „…
große Mengen von Unterlagen der ehem. Tischfabrik Menzel bzw. des VEB Tisch und
der Sächs. Tisch- & Raumtechnik GmbH übernommen, ohne deren
Rechtsnachfolger zu werden“. Wie Herr Schiedt zu diesen Unterlagen kam,
erzählte er in einer kleinen offiziellen Übergabe. 2001 hatte Herr Schiedt die
Villa in der Heidestraße in Radeberg von Ralf Götzinger aus einer Versteigerung
samt Grundstück und Inhalt übernommen. Vater und Sohn Götzinger übernahmen in
den 1990er die insolvente Tischfabrik aus der treuhändischen Verwaltung. Ralf
Götzinger war somit der letzte Inhaber und Geschäftsführer der Tischfabrik.
Ursprünglich war Herr Schiedt auf der Suche nach Unterlagen
über die Villa, bis er im Keller mehr als 15 Kubikmeter Unterlagen zur
ehemaligen Tischfabrik fand. Der Großteil der Unterlagen waren Mahnbescheide, aber auch zwei ledergebundene Bücher und ein
Katalog. Die handgeschriebene „Chronik des VEB Tischfabrik Großröhrsdorf OL“
beinhaltet die Jahre von 1949 bis 1961. Sie dokumentiert jedes einzelne
Geschäftsjahr, bspw. welche Maschinen angeschafft wurden, ob es neue
Mitarbeiter gab und wie die Produktion allgemein war. Versteckt in den letzten
Seiten gibt es eine Papiersammlung, die die Jahre 1962 bis 1965 dokumentierten.
Das zweite ledergebundene Buch ist ein Fotoalbum mit Bildern des Gebäudes und
der Belegschaft. Das dritte Stück ist ein alter Menzel-Katalog „Dresdner
Tischfabrik Hermann Menzel“, ein Musterbuch von 1939.
Gegründet wurde die Dresdner Tischfabrik, wie sie damals hieß, am 1. Oktober 1892 von Herrmann Menzel. In der Waisenhausstraße 20 in Dresden begann die Produktion. Es dauerte nicht lange, denn die Räumlichkeiten waren zu klein und die Produktion wurde in die Reitbahnstraße verlagert. 1903 zog die „Dresdner Tischfabrik Hermann Menzel“ nach Großröhrsdorf in eine ehemalige Bandfabrik. Hauptsächlich wurden hier Barock- und Renaissancetische und auch Tische im neuzeitlichen Stil hergestellt. Die Tischfabrik war nun in ganz Deutschland bekannt.
Durch wesentliche Fabrikanbauten konnten große Maschinensäle
eingerichtet werden. So verließen 1938 ca. 60 000 Tische die Firma. Die
fertigen Tische wurden mit einem Pferdefuhrwerk zum Bahnhof gebracht und auf
dem Rückweg wieder mit Holz beladen. Die Firma avancierte zur größten Tischfabrik
Deutschlands. Im 2. Weltkrieg war die Fabrik vorrangig für die Rüstung tätig.
Diese kriegswichtigen Produkte fanden ihre Höhepunkte in Gewehrschäften,
Munitionskisten und Bombenschlitten, die bis zum letzten Tag produziert wurden.
1945 erfolgten die Enteignung und totale Demontage erfolgte. Ab 1949 begann,
nun als „Volkseigener Betrieb“ erneut die Tischherstellung. Spanplatte als
Werkstoff hielten Einzug in die Produktion. Die Spanplatte wurde per Wagon
geliefert und anschließend mit Furnier und später dann auch mit Dekorfolie
beklebt. Der bekannte Hubtisch entstand 1963. 1969 wurde dann ein Kombinat
gebildet und die Tischfabrik gehörte fortan zu den Deutschen Werkstätten
Hellerau. Zu dieser Zeit wurden jährlich über 90.700 Tische produziert. 1990
erfolgte die Gründung der „Sächsischen Tisch-GmbH“ unter treuhänderischer
Verwaltung. Die spätere Privatisierung führte 1995 zur Schließung des Werkes.
Mit
dem Abriss der Tischfabrik verschwand die zweitgrößte Industriebrache nach dem Areal
C.G.Großmann, das bereits abgerissen wurde. Über die Neunutzung des insgesamt
1,7 Hektar großen Gebietes war man sich schnell im Klaren: Die
allebacker-Schulte GmbH, die in Großröhrsdorf schon seit 15 Jahren Brief- und
Schaukästen produziert, baute auf einem Teil der frei gewordenen Fläche eine
neue Halle.
Bürgermeister Stefan Schneider und die Mitglieder des
Vereins dankten Herr Schiedt, dass dieses
Stück Kulturgeschichte gesichert wurde und betonten, dass die Stücke im
Heimatmuseum gut aufgehoben sind und hier auch der Öffentlichkeit zur Verfügung
gestellt werden sollen. Das Heimatmuseum hat es sich zur Aufgabe
gemacht, die Chronik mit dem vorhandenen Bildmaterial aus dem Fotonachlass zu
komplettieren.
Stadtverwaltung Großröhrsdorf Rathausplatz 1 01900 Großröhrsdorf