Zwei bedeutende Baumeister und Architekten des Jugendstils in Großröhrsdorf Teil 1

Der Jugendstil erlebte seine Blütezeit von 1890 bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges. In der Architektur drückt er sich sowohl in floralen Motiven als auch in geometrischen Ornamenten sowie im dekorativen Fachwerk aus. Auch der romantisierende Schweizerhausstil gehört in diese Epoche. In unserem Ort entstanden Bauten dieser Stilrichtung noch bis zu Beginn der zwanziger Jahre.

Großröhrsdorfs rasante städtebauliche Entwicklung vom Bauerndorf zur Industriegemeinde etwa 1870 bis zum 1. Weltkrieg fällt genau in diesen Zeitraum. Besonders im Zentrum prägen noch heute zahlreiche Bauten des Jugendstils das Stadtbild. Dazu gehören neben dem Rathaus zahlreiche Fabrikantenvillen. Herausragende Beispiele dazu sind in der Veröffentlichung des Technischen Museums „Fabrikantenvillen erzählen Stadtgeschichte“ zu finden. Sie sind dem Wirken zweier bedeutender Baubetriebe unserer Stadt zu verdanken. Es waren dies die Unternehmen des Baumeisters Adolph Nitzsche und der beiden Architekten und Bauunternehmer Max und Eduin (nicht Edwin!) Völkel. Bei Verwirklichung größerer Bauvorhaben arbeiteten beide unter Beteiligung weiterer kleinerer Betriebe eng zusammen. Es ist deshalb meist nicht möglich, einzelne Gebäude nur einem ausführenden Unternehmen zuzuordnen. Ergänzend sind als kleinere Baubetriebe zu nennen:

  • Max Johne und Söhne (Steinbruch ab 1931)
  • Alfred Schneider (1931 -1937)
  • Rudolf Delius (Ziegelei ab 1931)
  • Bernhard Werner (Ziegelei ab 1897)
  • Karl Söhnel (1933 – 1939)
  • Otto Schöne (ab 1932)
  • Hans Langemach (vor 1921 – 1932)
  • Willy Bolkowsky (Tiefbau 1925 – 1933)
  • Friedr. Aug. Löpelt (1892 – 1906)

Großröhrsdorf erhielt erst 1924 das Stadtrecht. Das Rathaus von 1909 dokumentiert Jahre zuvor bereits Wohlstand und Anspruch eines modernen städtischen Gemeinwesens. Noch heute fällt im Zentrum auch dem Laien das geschlossene Straßenbild dieser Epoche auf. Kein Haus gleicht dem anderen, aber alle bilden ein harmonisches Ganzes. Diese Qualität ist nie wieder erreicht worden! Der Ausbruch des 1. Weltkrieges verhinderte die Verwirklichung weiterer Projekte.

Adolph Theodor Nitzsche

Nitzsche wurde am 21.03.1837 in Großröhrsdorf geboren.
Die Schreibweise seines Familiennamens variiert in den Adressbüchern zwischen Nitzsche und Nitsche.

Die Gründung des Baugeschäftes Nitzsche erfolgte 1863 in Hauswalde. Noch im selben Jahr wurde von ihm das „Hotel zur Krone“ (später Fahrradgeschäft Bulling) errichtet. Im Jahre 1874 gibt das Adressbuch als seinen Firmensitz das Grundstück Kat.-Nr. 86 D (Bahnhofstraße 6) in Großröhrsdorf an. Als Vorsitzender des Kriegervereins setzte sich der Unternehmer 1872 für die Errichtung eines Ehrenmals an der Einmündung der Bahnhofsstraße in die Radeberger Straße für die Gefallenen der Kriege 1866 und 1870 / 71 ein. 1876 wird die von Nitzsche erbaute Hauptschule (heute Praßerschule) eingeweiht. 1894 gehörte Adolph Nitzsche zu den Gründungsmitgliedern der Sanitätskolonne Großröhrsdorf, einem Vorläufer des Roten Kreuzes. Noch vor 1900 gehörten ihm außer seinem Bauhof Brauereistraße 2 (später Fahrschule Uhlig) weitere Grundstücke an der Bahnhofstraße. Zeitweise beschäftigte das Unternehmen bis zu 200 Arbeitskräfte.

Adolph Nitzsche (Das Foto stammt aus der Sammlung von Johannes Nitsche)zoom
Adolph Nitzsche (Das Foto stammt aus der Sammlung von Johannes
Nitsche)

1889 erwarb Adolph Nitzsche den alten Gutshof Kat.-Nr. 270, welcher am 25.08.1892 durch Brandstiftung vollständig vernichtet wurde. Sein ehemaliger Standort ist heute die Wiesenfläche gegenüber Schulstraße 4. Die zugehörige Hufe erstreckte sich bis an die Steinbach in der Massenei. Hier ließ Adolph Nitzsche im Jahre 1900 eine kleine Teichgruppe anlegen, die damals als „Baumeisters Teiche“ bekannt war (Unsere Heimat Nr. 1 / 1908). Heute sind diese weitgehend verlandet.
Die Industriealisierung vor der Jahrhundertwende förderte den Zuzug von auswärtigen Arbeitskräften, es wurden Wohnungen benötigt. Der vom ehemaligen Gutshof ausgehende Feldstreifen wurde in Bauland umgewandelt. Bereits 1894 wurden im unteren Teil der nach dem Baumeister benannten Adolphstraße durch ihn die ersten Wohnhäuser errichtet. Innerhalb weniger Jahre entstanden weitere komplette Straßenzüge. Dazu gehörten Rathausstraße, Dammstraße, Friedensstraße, Philippstraße, Bahnhof- und Großmannstraße. Die Errichtung von Wohnhäusern aber auch von Industriebauten bildete stets den Schwerpunkt oft unter Beteiligung der Architekten Völkel. Das erforderliche Baumaterial lieferten eigene Sandgruben, Steinbrüche und die 1898 von ihm gegründete Ziegelei an der Adolphstraße. Älteren Großröhrsdorfern ist sie noch als Ziegelei Delius bekannt (ab 1931).
Adolph Theodor Nitzsche verstarb am 26.2.1925 im Alter von 87 Jahren.

Lt. Adressbuch von 1890 war zu diesem Zeitpunkt sein Sohn Max als Baumeister in das väterliche Unternehmen eingetreten. Auch in den Adressbüchern von 1897, 1901, 1910 und 1926 ist er zu finden. Von Max Nitzsche wurde im Jahre 1909 die heutige Volksbank erbaut. 1928 folgte das anschließende Kaufhaus Schönwald.
Die Wirtschaftskrise der zwanziger Jahre brachte einen derartigen Auftragsrückgang, dass das Unternehmen 1931 Konkurs anmelden musste.

Korrektur „Großröhrsdorfer Persönlichkeiten – Vermessungsingenieur Bernhard Rentsch“ AZ 14/21: Die 1869 erbaute neue Niederdorfschule (bis 1904) steht an der Einmündung des Arnsdorfer Weges und nicht wie im Beitrag beschrieben an der Einmündung der Schäfereistraße in die Hauptstraße (Radeberger Str. 93).

R. Röllig~wMe~

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