Der Jugendstil erlebte seine Blütezeit von 1890 bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges. In der Architektur drückt er sich sowohl in floralen Motiven als auch in geometrischen Ornamenten sowie im dekorativen Fachwerk aus. Auch der romantisierende Schweizerhausstil gehört in diese Epoche. In unserem Ort entstanden Bauten dieser Stilrichtung noch bis zu Beginn der zwanziger Jahre.
Großröhrsdorfs rasante städtebauliche Entwicklung vom Bauerndorf zur Industriegemeinde etwa 1870 bis zum 1. Weltkrieg fällt genau in diesen Zeitraum. Besonders im Zentrum prägen noch heute zahlreiche Bauten des Jugendstils das Stadtbild. Dazu gehören neben dem Rathaus zahlreiche Fabrikantenvillen. Herausragende Beispiele dazu sind in der Veröffentlichung des Technischen Museums „Fabrikantenvillen erzählen Stadtgeschichte“ zu finden. Sie sind dem Wirken zweier bedeutender Baubetriebe unserer Stadt zu verdanken. Es waren dies die Unternehmen des Baumeisters Adolph Nitzsche und der beiden Architekten und Bauunternehmer Max und Eduin (nicht Edwin!) Völkel. Bei Verwirklichung größerer Bauvorhaben arbeiteten beide unter Beteiligung weiterer kleinerer Betriebe eng zusammen. Es ist deshalb meist nicht möglich, einzelne Gebäude nur einem ausführenden Unternehmen zuzuordnen. Ergänzend sind als kleinere Baubetriebe zu nennen:
Großröhrsdorf erhielt erst 1924 das Stadtrecht. Das Rathaus von 1909 dokumentiert Jahre zuvor bereits Wohlstand und Anspruch eines modernen städtischen Gemeinwesens. Noch heute fällt im Zentrum auch dem Laien das geschlossene Straßenbild dieser Epoche auf. Kein Haus gleicht dem anderen, aber alle bilden ein harmonisches Ganzes. Diese Qualität ist nie wieder erreicht worden! Der Ausbruch des 1. Weltkrieges verhinderte die Verwirklichung weiterer Projekte.
Adolph Theodor Nitzsche
Nitzsche wurde am 21.03.1837 in Großröhrsdorf geboren.
Die
Schreibweise seines Familiennamens variiert in den Adressbüchern zwischen
Nitzsche und Nitsche.
Die
Gründung des Baugeschäftes Nitzsche erfolgte 1863 in Hauswalde. Noch im selben Jahr wurde von ihm das „Hotel
zur Krone“ (später Fahrradgeschäft Bulling) errichtet. Im Jahre 1874 gibt das
Adressbuch als seinen Firmensitz das Grundstück Kat.-Nr. 86 D (Bahnhofstraße 6)
in Großröhrsdorf an. Als Vorsitzender des Kriegervereins setzte sich der
Unternehmer 1872 für die Errichtung eines Ehrenmals an der Einmündung der
Bahnhofsstraße in die Radeberger Straße für die Gefallenen der Kriege 1866 und
1870 / 71 ein. 1876 wird die von Nitzsche erbaute Hauptschule (heute
Praßerschule) eingeweiht. 1894 gehörte Adolph Nitzsche zu den
Gründungsmitgliedern der Sanitätskolonne Großröhrsdorf, einem Vorläufer des Roten Kreuzes. Noch vor 1900 gehörten ihm
außer seinem Bauhof Brauereistraße 2 (später Fahrschule Uhlig) weitere
Grundstücke an der Bahnhofstraße. Zeitweise beschäftigte das Unternehmen bis zu
200 Arbeitskräfte.
1889
erwarb Adolph Nitzsche den alten Gutshof Kat.-Nr. 270, welcher am 25.08.1892
durch Brandstiftung vollständig vernichtet wurde. Sein ehemaliger Standort ist
heute die Wiesenfläche gegenüber Schulstraße 4. Die zugehörige Hufe erstreckte
sich bis an die Steinbach in der Massenei. Hier ließ Adolph Nitzsche im Jahre
1900 eine kleine Teichgruppe anlegen, die damals als „Baumeisters Teiche“
bekannt war (Unsere Heimat Nr. 1 / 1908). Heute sind diese weitgehend
verlandet.
Die
Industriealisierung vor der Jahrhundertwende förderte den Zuzug von auswärtigen
Arbeitskräften, es wurden Wohnungen benötigt. Der vom ehemaligen Gutshof
ausgehende Feldstreifen wurde in Bauland umgewandelt. Bereits 1894 wurden im
unteren Teil der nach dem Baumeister benannten Adolphstraße durch ihn die
ersten Wohnhäuser errichtet. Innerhalb weniger Jahre entstanden weitere komplette Straßenzüge. Dazu gehörten Rathausstraße,
Dammstraße, Friedensstraße, Philippstraße, Bahnhof- und Großmannstraße. Die
Errichtung von Wohnhäusern aber auch von Industriebauten bildete stets den
Schwerpunkt oft unter Beteiligung der Architekten Völkel. Das erforderliche
Baumaterial lieferten eigene Sandgruben, Steinbrüche und die 1898 von ihm
gegründete Ziegelei an der Adolphstraße. Älteren Großröhrsdorfern ist sie noch
als Ziegelei Delius bekannt (ab 1931).
Adolph
Theodor Nitzsche verstarb am 26.2.1925 im Alter von 87 Jahren.
Lt.
Adressbuch von 1890 war zu diesem Zeitpunkt sein Sohn Max als Baumeister in das
väterliche Unternehmen eingetreten. Auch
in den Adressbüchern von 1897, 1901, 1910 und 1926 ist er zu finden. Von Max
Nitzsche wurde im Jahre 1909 die heutige Volksbank erbaut. 1928 folgte das
anschließende Kaufhaus Schönwald.
Die
Wirtschaftskrise der zwanziger Jahre brachte einen derartigen Auftragsrückgang,
dass das Unternehmen 1931 Konkurs anmelden musste.
Korrektur „Großröhrsdorfer Persönlichkeiten – Vermessungsingenieur Bernhard Rentsch“ AZ 14/21: Die 1869 erbaute neue Niederdorfschule (bis 1904) steht an der Einmündung des Arnsdorfer Weges und nicht wie im Beitrag beschrieben an der Einmündung der Schäfereistraße in die Hauptstraße (Radeberger Str. 93).
R. Röllig~wMe~
Stadtverwaltung Großröhrsdorf Rathausplatz 1 01900 Großröhrsdorf